Wenn Förderregime gecancelt werden – eine Lehre aus dem PV-Markt für die Glasfaserinfrastruktur
- Martin Keitel
- 22. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Aktuelle Zäsur im Glasfasermarkt
Die jüngste Budgetrede und die damit verbundenen Maßnahmen haben den österreichischen Markt für Glasfaserinfrastruktur erschüttert. Die Folge: Nach herausfordernden Jahren (vor allem durch stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten) steht nun eine große Konsolidierungswelle bevor. Warum? Weil Businesspläne ohne sicher geglaubte Förderungen erodieren – vor allem dann, wenn sie in – wie in Österreich nunmal vorherrschend – ruralen Räumen mit geringer Bevölkerungsdichte und herausfordernder Topographie umgesetzt werden sollen. Mich überrascht das alles wenig, denn ich kenne vergleichbare Szenarien zur Genüge. Nachfolgend ein Vergleich zu meinen Erlebnissen mit dem PV-Markt der 2010- bis 2015er-Jahre.
Was wir aus dem PV-Markt lernen können
In den 2000er Jahren wurde europaweit damit begonnen, den Ausbau erneuerbarer Energien mit gezielten Förderregimen zu beschleunigen. Der Photovoltaikmarkt (PV) war ein prominentes Beispiel: nahezu jedes europäische Land etablierte eigene Modelle, häufig in Form von Einspeisetarifen (Feed-in Tariffs), um Investitionen attraktiv zu machen. Der Effekt war gewaltig: Investorengetriebene Modelle schossen aus dem Boden, die Kapitalzuflüsse waren enorm, die Umsetzungsgeschwindigkeit hoch. Der Markt wurde mit Projekten regelrecht überschwemmt – die Ausbauziele wurden vielerorts deutlich früher erreicht als ursprünglich geplant.
Der plötzliche Einbruch
Was dann folgte, war ein Bruch. Politisch motivierte Anpassungen der Förderregime – in vielen Fällen abrupt und ohne Übergangsfristen – führten dazu, dass viele der auf langfristige Tarife kalkulierten Projektfinanzierungen über Nacht ins Wanken gerieten. Feed-in-Tarife wurden gekürzt oder ganz abgeschafft. Projekte, die auf Basis stabiler Zahlungsströme finanziert worden waren, standen plötzlich ohne ausreichenden Cashflow da.
Restrukturierungen und regulatorisches Risiko
Die Folge: großflächige Restrukturierungen, Abschreibungen, Notverkäufe. Ich erinnere mich an Gespräche mit Banken in Italien, Rumänien, der Ukraine und anderen Ländern – überall dasselbe Bild: Kredite, die einst als sicher galten, wurden zum Problemfall. Das systemische Risiko war nicht technischer, sondern regulatorischer Natur.
Die zentrale Lehre: Förderunabhängigkeit
Die entscheidende Lehre daraus lautet: Ein Infrastrukturprojekt muss – so hart es klingt – auch ohne Förderungen überlebensfähig sein. Förderungen dürfen nie die Grundlage eines Business Cases sein, sondern höchstens eine temporäre Beschleunigung.
Drei Hebel für robuste Projekte
Um ein Projekt robust aufzustellen, gibt es drei zentrale Hebel:
Investitionskosten (CAPEX): Diese beeinflussen die Projektstruktur am stärksten. Wer günstiger baut, kann konservativer finanzieren. Gerade im Glasfaserbereich sind es die Baukosten, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Betriebskosten (OPEX): Effizienter Betrieb, klare Verantwortlichkeiten, automatisierte Prozesse – das verbessert die Langfristresilienz des Projekts.
Finanzierung: Die Struktur muss in sich tragfähig sein. Hohe Leverage-Ratios in förderabhängigen Modellen sind gefährlich. Solide Projekte können – und sollten – konservativ finanziert werden.
Glasfaserausbau braucht Realwirtschaftslogik
Was heißt das für die Gegenwart – speziell im Glasfaserausbau?
Fördermittel – etwa nach dem Giganetzförderprogramm in Deutschland oder vergleichbaren Modellen in Österreich – sind hilfreich, aber nicht planungssicher. Je näher ein Projekt an der Realwirtschaft kalkuliert ist, desto robuster ist es gegenüber politischen Schocks. Wer es schafft, Glasfaserprojekte mit realistischen, schlanken CAPEX-Profilen umzusetzen, reduziert seine Abhängigkeit von politischem Goodwill – und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzierung nicht nur darstellbar, sondern auch nachhaltig tragfähig ist.
Schlussfolgerung: Lean bauen statt spekulieren
Die Wahrheit ist: günstiges Bauen ist die beste Versicherung gegen politische Volatilität. Infrastruktur muss auf eigenen Beinen stehen – alles andere ist Spekulation. Alternative: Der Staat baut die Infrastruktur selbst, sodass er nicht auf den Einsatz privaten Kapitals angewiesen ist.
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